Bakteriophagen

Bakterien können von einer Vielzahl von bakteriellen Viren, den sogenannten Bakteriophagen (kurz: Phagen) infiziert werden (merke: wenn wir den Begriff "Virus" brauchen, meinen wir in der Regel nur die Viren eukaryotischer Zellen). Das genetische Material (Genom) dieser Phagen ist entweder doppelsträngige DNA, einzelsträngige DNA oder RNA. Das Genom ist in eine mehr oder weniger kompliziert gebaute Proteinhülle verpackt. Diese Proteinhülle dient zusätzlich der Selektion der geeigneten Wirtszellen und häufig der Injektion des Phagengenoms in die Wirtszelle. Phagen sind für ihre Vermehrung immer auf lebende Zellen angewiesen. Sie haben als experimentelle Systeme in der Molekularbiologie und als Vektoren in der Gentechnologie grosse Bedeutung.


Vermehrung


Je nach Phagentyp kann die Infektion einer Wirtszelle lytisch verlaufen, oder die Wirtszelle kann lysogenisiert werden.



Die lytische Infektion: Beispiel des Phagen T4:

Der Phage T4 hat eine komplexe Struktur, welche im wesentlichen aus Kopf (Proteinhülle mit Doppelstrang-DNA-Genom) und Schwanz besteht:




Lytische Infektion

T4-Phagen erkennen Wirtszellen (E. coli) an spezifischen Oberflächenproteinen, adsorbieren an diese und injizieren die DNA ins Zellinnere. Die Phagen-DNA enthält alle Informationen, die für die Replikation des Genoms und die Produktion neuer Phagen in der Wirtszelle notwendig sind.

In den ersten Minuten nach der Infektion führt die Transkription eines Teils der infizierenden Phagen-DNA durch die DNA-abhängige RNA-Polymerase der Wirtszelle zur Synthese phagen-spezifischer mRNAs, welche durch den Proteinsyntheseapparat der Wirtszelle in Phagen-Enzyme übersetzt werden. Kurz darauf beginnt die Replikation der Phagen-DNA mit Hilfe der neusynthetisierten phagenspezifischen DNA-Polymerase. Noch während die DNA-Synthese läuft, beginnt bereits die Synthese der Phagen-Hüllproteine und deren Zusammenbau zu Phagenköpfen. In diese wird darauf die neusynthetisierte Phagen-DNA verpackt. Zuletzt werden Phagen-köpfe und separat aufgebaute Schwanzstrukturen zu reifen Phagen verbunden. Zu den spät in der Infektion exprimierten Genen des Phagengenoms gehört auch das Gen für ein phagenspezifisches Lysozym. Dieses Enzym katalysiert den Abbau der Zellwand, was zur Lyse der Wirtszelle und zur Freisetzung der Nachkommen-Phagen führt. Der ganze lytische Infektionszyklus dauert etwa 30 Minuten.




Die lysogene Infektion: Beispiel des Phagen Lambda:


Phagen, welche sowohl eine lytische als auch eine lysogene Infektion machen können, werden als temperente Phagen bezeichnet. Bei der lysogenen Infektion, die nur bei bestimmten Umweltbedingungen möglich ist, wird die infizierende Phagen-DNA ins Genom der Zelle eingebaut:




Lysogene Infektion

Der Einbau des Lambda-Genoms erfolgt immer an der gleichen Stelle des bakteriellen Genoms, in der Nähe der Gene für Galaktoseverwertung. Es gibt aber auch Phagen, die irgendwo ins Wirtszellgenom integrieren. Im lysogenen Zustand kann das Phagengenom über viele Generationen im bakteriellen Genom integriert bleiben, und es wird als Bestandteil dieses Genoms repliziert. Vom integrierten Lambda-Genom wird jedoch nur ein einziges Gen transkribiert. Dieses Gen kodiert für ein Repressor-Protein (Lambda-Repressor), welches die Transkription der übrigen Lambda-Gene und damit die Virus-Vermehrung unterdrückt. Wenn der Lambda-Repressor inaktiviert wird (z.B. durch UV-Bestrahlung), beginnt die Transkription des eingebauten Phagengenoms. Als Folge davon wird die integrierte Lambda-DNA aus dem Wirtszellgenom herausgeschnitten, und es beginnt ein lytischer Zyklus.



Transduktion: Wenn temperente Phagen aus dem Wirtszellgenom herausgeschnitten werden, kann es vorkommen, dass ab und zu ein Wirtszell-Gen mit der Phagen-DNA herausgeschnitten und in reife Phagenköpfe verpackt wird. Nach der Freisetzung gelangen diese Gene mit der Phagen-DNA in andere Zellen und übertragen damit genetische Information ('horizontale' Verbreitung von Genen in einer Bakterienpopulation).



Restriktion und Modifikation


Bakterien haben Enzyme, welche die DNA an ganz bestimmten Stellen chemisch modifizieren, meistens methylieren. Diese Enzyme und mit ihnen die Modifikationen sind von Stamm zu Stamm verschieden. Daneben verfügen die gleichen Bakterien über Desoxyribonukleasen (DNasen), welche DNA, die nicht die stammspezifischen Modifikationen aufweist, in Fragmente zerschneiden. Diese Enzyme werden als Restriktionsenzyme bezeichnet. Einige dieser Restriktionsenzyme schneiden DNA sequenz-spezifisch. Sie bilden, wie wir in der Vorlesung sehen werden, die Grundlage für die Entwicklung der ganzen Gentechnologie.

Die biologische Bedeutung der Restriktions- und Modifikationsenzyme liegt darin, dass sie die Zelle vor Fremd-DNA schützen und damit die unkontrollierte Verbreitung von genetischem Material verhindern.

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