Chemie der Nukleinsäuren


Das Zentrum der DNA wird von den Basen gebildet und ist demzufolge hydrophob. Die basischen Ringe, die nach innen ragen, sind den Stufen einer Wendeltreppe vergleichbar und liegen senkrecht zur Helixachse. Es liegen sich immer zwei Basen gegenüber, welche durch Wasserstoffbrücken miteinander verbunden sind. Ein Purin-Ring bildet immer mit einem Pyrimidin-Ring ein Basenpaar und umgekehrt (d.h. sie sind komplementär), da zwei sich gegenüberliegende Purin-Ringe in einer Doppelhelix zuviel Platz beanspruchen würden, während zwei Pyrimidin-Ringe den Raum nicht ausfüllen könnten. Die Anzahl der Wasserstoffbrücken bestimmt unter anderem die Stabilität der Doppelhelix. H-Brücken bilden sich zwischen einem H einer OH- oder NH-Gruppe und einem einsamen Elektronenpaar eines O-Atomes bzw. eines N-Atomes aus, wenn die Gruppen sich auf eine Distanz von ca. 0,28nm annähern. Die Bindung ist nicht sehr stark, mehr als 10mal schwächer als eine Hauptvalenzbindung.



Unterschiede in der Stabilität entstehen dadurch, dass die Basenpaare unterschiedliche Anzahlen von H-Brücken ausbilden: während Guanin und Cytosin drei H-Brücken bilden, findet man zwischen Adenin und Thymin nur zwei. Dies hat zur Folge, dass die Stabilität der Doppelhelix mit höherem Anteil an G - C -Paarungen zunimmt.
Den grössten Einfluss auf die Stabilität der Doppelhelix haben die hydrophoben Kräfte, die zwischen den relativ nah übereinander liegenden ("stacked") Basen wirken (der Abstand beträgt etwa 0.26-0.34nm). Jedes Basenpaar ist im Vergleich zum Nachbar-Basenpaar um ca. 36° um die Achse der Helix gedreht, so dass etwa 10 Basenpaare eine vollständige Umdrehung von 360° ergeben.
Die oben beschriebene DNA ist die häufigste Form und wird als B-Form bezeichnet. Je nach Wasser- und Salzgehalt des Mediums kann die DNA aber eine unterschiedliche Geometrie einnehmen. Andere charakteristische Strukturen sind die A- und die Z-DNA.

Das "Rückgrat" der Doppelhelix wird durch die Verknüpfung der Zucker mit den Phosphaten gebildet, womit die Peripherie der Helix zu einer hydrophilen Hülle wird. Die negativen Ladungen der Phosphatreste bewirken eine Abstossung der beiden Stränge. Dies wird durch die Bindung von Kationen wie Na+ an die Phosphate vermindert oder verhindert (Neutralisation von Ladungen). Zucker und Phosphat sind esterartig verbunden, Zucker und Base sind N-glycosidisch verbunden.

Weshalb bilden Adenin und Guanin in der DNA keine Basenpaare? Lösung
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Adenin und Guanin sind beides Purine. Sie würden in der Helix als Basenpaar zuviel Platz beanspruchen.


Wie isoliert man DNA?


Wenn man DNA untersuchen will, muss man sie zuerst aus Zellen isolieren. Dazu sind folgende Schritte notwendig:

1. Beschaffen von Zellmaterial Lösung
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Im folgenden Abschnitt wird die Isolation von DNA am Beispiel von menschlicher DNA illustriert. Der erste Schritt beim Analysieren von DNA ist das Beschaffen von Zellmaterial. Je nach Zweck der Untersuchung, pränatale Diagnostik oder Routinetests bei Erwachsenen, eignen sich dazu die Chorionbiopsie, die Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) oder eine einfache Blutentnahme.

Chorionbiopsie (8. -12. Schwangerschaftswoche, SSW)
    Vorteil: Ergebnis innert einer Woche, weil keine Kultivierung der Zellen nötig
    Nachteil: Erhöhtes Abortrisiko

Amniozentese (16. - 20. SSW)
    Vorteil: geringes Abortrisiko
    Nachteil: Ergebnis erst nach 3 bis 4 Wochen; Diagnose sehr spät (4. - 5. Monat !)

Blutentnahme
    Der zelluläre Anteil des Bluts besteht zum grössten Teil aus roten Blutkörperchen (Erythrocyten). Diese sind aber für eine DNA-Isolierung ungeeignet, da sie keinen Kern - und damit kein Erbmaterial - besitzen. Weisse Blutkörperchen (Leukocyten) sind zwar in geringerer Zahl enthalten, dafür aber leicht zu gewinnen.
    Mehr zu Chorionbiopsie und Amniozentese im Kapitel "Gendiagnostik".

2. Aufschliessen der ZellenLösung
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Zugabe von hypotonem Puffer zur Suspension mit freien Zellen bringt die Zellmembranen aus osmotischen Gründen zum Platzen. Eventuell werden noch DNase - Inhibitoren hinzugegeben (Verhindern der Hydrolyse der DNA!).
Freie Zellen lassen sich also sehr schnell und einfach aufschliessen. Wie dieser Schritt bei tierischen Geweben oder bei Bakterienzellen vor sich geht, können Sie im folgenden Abschnitt entnehmen:


Aufschliessen der Zellen bei tierischen Geweben oder bei Bakterienzellen

3. Unlösliche Teile abzentrifugierenLösung
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Das Lysat wird zentrifugiert:
- die Zelltrümmer liegen nun im Überstand und werden entfernt
- die Leukocytenkerne liegen im Sediment

4. Nukleinsäuren von Proteinen trennen und reinigen Lösung
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  • Zugabe des Detergenz SDS (Sodium-Dodecyl-Sulfat). SDS ist ein ionisches Detergenz (Substanz mit hydrophilem und hydrophobem Teil; Seife), ist bei neutralem pH negativ geladen und hebt die ionischen Interaktionen zwischen Nukleinsäuren und Proteinen auf: Die Kernmembran wird also aufgelöst und die Proteine von den Nukleinsäuren gelöst.

    Eine Auswahl von Proteinen, welche an Nukleinsäuren gebunden sind (ohne Besprechung der genaueren Bedeutung):
    • DNA:
      Histone, Transkriptionsfaktoren, Nukleasen
    • rRNA:
      ribosomale Proteine
    • mRNA:
      Poly-A-bindende Proteine, Cap-bindende Proteine
    • tRNA:
      Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, Elongationsfaktoren


  • Zugabe von Proteinase K: Die Proteine werden hydrolysiert


  • Zugabe von Phenol, einem organischen Lösungsmittel (hydrophob), zur Denaturierung der noch übriggebliebenen Proteine -> die Proteine verklumpen

Mechanismus der Denaturierung:

Ausgangslage:
    Proteine in wässriger Lösung: hydrophobe Bereiche liegen innen, hydrophile Teile aussen (energetisch günstigster Zustand)

Zugabe von Phenol im Überschuss:
    die Proteine präsentieren die hydrophoben Anteile und werden somit denaturiert (Entfaltung)

    schnelle und komplette Renaturierung unmöglich -> die Proteine verklumpen (Aggregate)


5. Wässrige Phase sammeln Lösung
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Durch die Zentrifugation werden die organische und die wässrige Phase voneinander getrennt. Proteinaggregate liegen in der Interphase, die hydrophilen Nukleinsäuren (DNA und RNA) in der wässrigen Phase können nun abpipetiert werden.

6. Nukleinsäuren mit Alkoholen fällen Lösung
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Die Nukleinsäuren sind noch mit andern wasserlöslichen Komponenten verunreinigt und stark verdünnt. Durch Ausfällung mit Alkoholen (Aethanol oder Isopropanol) werden die Nukleinsäuren weiter gereinigt. Um eine bessere Ausfällung zu erhalten, wird vor der Alkoholzugabe NaCl zugegeben. Die Natrium-lonen neutralisieren die negativen Ladungen der DNA, so dass die Fällung leichter wird. H-lonen bewirken dasselbe wie Na-lonen, (allerdings in geringerem Ausmass), weshalb ein tiefes pH die Ausfällung begünstigt.

7. Nukleinsäuren in Puffer lösenLösung
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Die Nukleinsäuren liegen nun als Aggregate vor. Um mit ihnen arbeiten zu können, müssen sie in Pufferlösung wieder gelöst werden.


8. DNA und RNA trennen Lösung
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Dieser Schritt muss nicht zwingend als letztes gemacht werden:

- Zugabe von RNasen oder DNasen (je nach Problemstellung) oder
- Dichtegradientenzentrifugation



Video: Prinzip der DNA-Isolierung (2D-Animation); Ausschnitt aus Video "DNA-Isolierung".
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Video: Zellkerne isolieren; Ausschnitt aus Video "DNA-Isolierung".
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Video: Kernlyse; Ausschnitt aus Video "DNA-Isolierung".
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Video: Reinigung mit Phenol; Ausschnitt aus Video "DNA-Isolierung".
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Video: DNA-Aggregation; Ausschnitt aus Video "DNA-Isolierung".
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Die Details zur DNA-Isolation

Denaturierung


Was geschieht, wenn man DNA erwärmt? Die Doppelhelix bleibt nicht stabil, sondern trennt sich in die beiden Einzelstränge. Diesen Vorgang nennt man Denaturierung oder Schmelzen.
Die Stränge der DNA trennen sich, weil die Wasserstoffbrücken zwischen den komplementären Basenpaaren bei hohen Temperaturen (z.B. 90°C) gelöst werden (die benötigte Temperatur ist unter anderem von der Länge der DNA und vom G-C-Gehalt abhängig). Dabei ändern sich die physikalischen Eigenschaft der DNA, z.B. Viskosität, Lichtabsorption. Man spricht bei diesem Aufbrechen der Helixstruktur von einem Schmelzvorgang und definiert den Schmelzpunkt Tm der DNA als die Temperatur, bei der die Hälfte der DNA als Einzelstränge vorliegt.
Wie wir vorher gesehen haben, bilden die beiden möglichen Basenpaare A-T resp. G-C eine unterschiedliche Anzahl an Wasserstoffbrücken aus (G-C drei, A-T zwei). Somit ist der Schmelzpunkt abhängig von der Anzahl G-C Basenpaare, weil diese der Helix eine grössere Stabilität verleihen und der Schmelzpunkt Tm einer G-C reichen DNA höher als derjenige einer A-T reichen DNA.

Beispiel:
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Denaturierung

Zur Illustration der Veränderung der Lichtabsorption der DNA bei der Denaturierung dient folgendes Beispiel:
Die Absorption der DNA-Moleküle der Bakterienstämme Pneumococcus und Serratia wird bei 260 nm mit zunehmender Temperatur gemessen. Einzelsträngige DNA absorbiert bei 260 nm etwa 1.4 mal mehr (also 40% mehr) als doppelsträngige DNA. Die Zunahme der Absorption - man nennt diesen Vorgang den hyperchromen Effekt - ist demzufolge ein Mass für den Gehalt an einzelsträngiger DNA der untersuchten Probe:

Bildquelle:Knippers R.: "Molekulare Genetik",
6. neubearbeitete Auflage 1996,
Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York,
ISBN 3-13-477006-7
Die Lage der Schmelzkurve kann beeinflusst werden, da sie vom Lösungsmittel abhängt: Erniedrigung der Salzkonzentration, Erhöhung des pH und die Anwesenheit gewisser organischer Lösungsmittel verschieben die Kurve nach links. Auf der rechten Seite der Grafik ist die Abhängigkeit des Schmelzpunktes vom G-C Gehalt der jeweiligen Bakterien-DNA gut ersichtlich.



Weshalb ist der Schmelzpunkt Tm von Pneumococcus-DNA tiefer als der von Serratia-DNA?

Lösung: Serratia-DNA hat einen höheren Gehalt an den Basen G und C (ca. 60% gegenüber 38% bei Pneumococcus) und ist somit stabiler. Die Folge: mehr Energie in Form von Wärme wird zur Denaturierung benötigt.


Welche Bedeutung hat eine Linksverschiebung der Schmelzkurve?

Lösung: Eine Linksverschiebung bedeutet, dass die Stabilität der DNA herabgesetzt ist. Die Folge davon: Denaturierung bei tieferer Temperatur, der Schmelzpunkt Tm ist somit erniedrigt

Veränderung der Lichtabsorption der DNA bei der Denaturierung

Hyperchromer Effekt
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Er entsteht durch die Wechselwirkungen zwischen den Elektronensystemen der Basen, die dadurch möglich werden, dass die Basen in der Doppelhelix übereinander gestapelt sind.

Jegliche Abweichung vom Doppelstrangzustand wird sofort durch eine Zu- resp. Abnahme des Absorptionsmaximums wiederspiegelt, d.h. die optische Dichte steigt in Richtung der für freie Basen typische Werte an. Da die freien Basen bei 260nm ein höheres Absorptionsmaximum haben, steigt der Wert bei der Denaturierung an. Somit kann die Denaturierung aufgrund dieser Hyperchromizität beobachtet und verfolgt werden.


Renaturierung


Unter geeigneten Bedingungen lassen sich denaturierte ("geschmolzene") DNA-Abschnitte wieder in die doppelsträngige Form überführen. Diesen Vorgang nennt man Renaturierung. Die Geschwindigkeit dieses Vorganges ist von verschiedenen Faktoren abhängig:
Die Geschwindigkeit der Reassoziation wird als Produkt der DNA-Konzentration (Co) und der Renaturierungszeit (t) ausgedrückt, sogenannter Cot-Wert.

Praktisches Vorgehen bei der Renaturierung
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  • die zu untersuchende DNA wird durch Scherkräfte in Fragmente von ca. 500 Nukleotiden zerlegt, so dass ein Vergleich verschieden grosser Genome unabhängig von der DNA-Länge möglich ist:
  • erhitzen auf 100°C damit eine vollständige Trennung der Stränge erreicht wird
  • Beobachtung der Rückbildung von Doppelstrang-DNA bei 65°C und bei 0.15-0.2 molarer Natrium-Ionenkonzentration, indem man sich den hyperchromen Effekt zu Nutze macht.

Die Geschwindigkeit dieser Reaktion hängt nur noch von der Ausgangskonzentration der komplementären Sequenzen C ab:



-dC/dt = kC2


C: Konzentration der einzelsträngigen DNA
k: Konstante der Reaktion

umgeschrieben:



-dC/C2 = kdt



Integration nach den Ausgangsbedingungen t=0, C=C0 ergibt:



1/C-1/C0 = kt oder C/C0 = 1/(1 + kC0t)

Die Gleichung zeigt, dass der Anteil der einzelsträngigen DNA C/C0 umgekehrt proportional zum Produkt C0t ist. Um einen Vergleichsgrösse zu haben definiert man C0t1/2 = 1/k (die Hälfte der einzelsträngigen DNA renaturiert).

Diese Berechnungen finden ihre Anwendung bei der Bestimmung von Genom-Grössen



Hybridisierung


Der Vorgang der Renaturierung kann erweitert werden, indem man zwei beliebige komplementäre Nukleinsäuresequenzen miteinander paaren und eine doppelsträngige Struktur bilden lässt. Wenn Nukleinsäuren verschiedenen Ursprungs beteiligt sind, dann spricht man von Hybridisierung z.B. RNA mit DNA oder DNA mit strukturell verwandter DNA. Das Prinzip der Hybridisierung besteht darin, zwei Präparationen mit einzelsträngiger Nukleinsäure zu mischen und dann den doppelsträngigen Anteil, der gebildet wurde zu bestimmen. Dieser Vorgang ist die Basis moderner molekularbiologischer Techniken.

Beispiel: Anwendung der Hybridisierung in der Gendiagnostik
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Die wichtigsten Angaben zur Muskeldystrophie Duchenne:

Klinik: Schwere, progredient verlaufende Muskelerkrankung. Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) und die wesentlich mildere Verlaufsform nach Becker (BMD) entstehen durch Mutationen des Muskelproteins Dystrophin, dessen Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert ist. Erste Symptome mit drei bis fünf Jahren. Rollstuhlabhängigkeit mit ca. zwölf Jahren. Lebenserwartung kaum mehr als zwanzig Jahre. Zur Zeit noch keine kausale Therapie. Häufigkeit: 1:3500 (männliche Geburten). Erbgang: geschlechtsgebundener, rezessiver Erbgang. Gen: auf X-Chromosom. 2,5 x 10 hoch 6 Basenpaare, grösstes zur Zeit bekanntes Gen mit 65 Exons. mRNA: ca. 14 000 Basen lang. Genprodukt: Dystrophin, Molekulargewicht 400 000 Dalton. Defekt: Deletion eines Teils des Gens. Der Unterschied zwischen BMD und DMD liegt darin, dass im Falle der DMD Deletionen im Dystrophin-Gen zu Verschiebungen des Leserasters und zum Kettenabbruch führen, während im Falle der BMD, trotz einer Deletion (z.B. eines ganzen Exons) der offene Leseraster des Gens korrekt weitergeführt wird: es resultiert ein Protein mit eingeschränkter Funktion.

Die Funktion des Dystrophins besteht nach gegenwärtigen Vorstellungen in einer Verankerung von Actin-Filamenten an Membranproteinen des Sarkolems. Der Verlust dieser Funktion scheint für die Degeneration des Muskelgewebes verantwortlich zu sein. Auch das Myocard (Herzmuskel) ist betroffen.

Weitere Informationen inklusive Fall zum bearbeiten finden Sie unter Gendiagnostik




Video: Prinzip der Hybridisierung (2D-Animation); Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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Video: Elektrophorese; Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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Video: Southern-Blotting; Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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Video: Gensonde; Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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Video: RX belichten; Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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Video: Banden ablesen; Ausschnitt aus Video "Hybridisierung".
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